Inoffizielle Datenbank am Landesgericht bediente sogar Google

Tausende Klagen und Beschlüsse wurden durch das Landesgericht Wiener Neustadt im Internet veröffentlicht. Die Juristen haben bei den Sammelklagen gegen einen Ex-AvW-Wirtschaftsprüfer ein massives Datenschutzproblem, Anwälte kannten Gerichtsbeschlüsse dadurch schon vor der förmlichen Zustellung.

Die Österreichische Gesellschaft für Datenschutz (ARGE DATEN): „Offenbar durch Bedienstete des Gerichts wurde eine Datenbank erstellt, die online ungesichert abrufbar und sogar über Google recherchierbar war. Damit reiht sich das Langericht Wiener Neustadt eindrucksvoll in die lange Reihe von Datenlecks im Justizministerium. Zur Erinnerung, das bisher größte Leck war die jahrelange illegale Weitergabe von Exekutionsdaten.“

Bei einem derartigen Umgang mit persönlichen und vertraulichen Daten dürfe das rapide sinkende Vertrauen in die Justiz nicht verwundern. Auch die Unabhängigkeit und Rechtsstaatlichkeit von Richtern müsse angesichts der Wiener Neustädter Aktion neu bewertet werden.

ARGE DATEN : „Offenbar wurde von einzelnen Richtern ohne Mindestsicherheitsmaßnahmen eigenmächtig eine Schatten-EDV entwickelt. Die gerichtsinterne Aufsicht versagte völlig. Solange es derartige Beamtenaktionen gibt, sind Cyberangriffe von Anonymous & Co. das wesentlich unbedeutendere Problem.“

Die Wiener Zeitung hatte aufgedeckt, dass unter der Internet-Adresse 5n0w.net oder über Google Daten von Hunderten AvW-Anlegern, ihre Forderungen, die Namen ihrer Anwälte und die Gerichtsbeschlüsse über Verfahrenszusammenlegungen öffentlich einzusehen waren.

°Wir haben das entdeckt, wir sind aus dem Schaudern nicht mehr herausgekommen“, zitiert die Zeitung AvW-Anlegeranwalt Erich Holzinger, der mit seinem Kollegen Michael Bauer rund 900 Geschädigte mit etwa 32 Sammelklagen vertritt. „Eine Klientin hat uns angerufen und gesagt, warum sie, wenn sie im Internet ihren Namen in die Google-Suchmaschine eintippt, in einer Klage am Gericht in Wiener Neustadt aufscheint.“

Die „Wiener Zeitung“ konfrontierte die Wiener Neustädter Landesgerichtspräsidentin Ingeborg Kristen mit dem Datenleck, die davon nichts wusste. Sie kontaktierte Richter Peter Wöhrer, der besagte interne Homepage konzipiert hatte: „Willkommen beim Aktenverwaltungssystem für die Massenverfahren AvW vs. Wirtschaftsprüfer“, hieß es auf der Seite „MSE Akten Verwaltung“, die inzwischen abgeschaltet wurde.

Richter Wöhrer sucht eine Erklärung für die desaströse Datenschutzpanne. „Eine meiner Vermutungen ist, dass es diese Adresse 5n0w.net gegeben hat, für die es eine alte Registernummer gibt. Sie ist – aus welchen Gründen auch immer – nicht gelöscht worden.“

Matthias A. Walter, http://www.tec4net.com

EDV-Sachverständiger und Datenschutzauditor

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Quellen und Links:

Artikel der Wiener Zeitung
http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/443292_Datenleck-am-Landesgericht-Wr.-Neustadt.html

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