Da ich heute schon wieder an so jemanden geraten bin – und es mir langsam auf den Nerv geht – hier mal einige Gedanken abseits der üblichen IT- und Datenschutzthemen.
Es fängt meist harmlos an: Eine E-Mail, ein LinkedIn-Kommentar oder der unangeforderte Anruf von einem Vertriebsmenschen, der denkt, Nähe entstünde automatisch durch Verwendung des vertraulichen Anredepronomens „Du“.
Doch was hier gerne als moderne Lockerheit verkauft wird, ist in Wahrheit oft nur eines: Anstandslosigkeit à la Turnschuh-Romantik.
Denn das aufdringliche, infantile Duzen ohne Zustimmung ist kein Zeichen von Augenhöhe, sondern vielmehr ein Symptom von Unsicherheit, kultureller Verwahrlosung und dem kläglichen Versuch, mit kumpelhaftem Ton mangelnde Substanz zu kaschieren.
Es kommt meist aus denselben Ecken: dem rhetorisch unterversorgten Vertriebs- oder Marketingverschnitt und den Opfern der deutschen Bildungsmisere – jenen, die sich gerne als ‚Founder‘ und ‚CEO‘ bezeichnen, obwohl keine erkennbare Firma dahintersteht. Sie halten sich im „authentischen“ Duz-Gewand für digitale Revolutionäre, tun in Wahrheit aber nichts anderes, als rechtswidrig Spam über Businessplattformen oder per E-Mail zu verbreiten.
Distanz ist kein Feind – sie schafft Raum und Freiheit.
Wer glaubt, echte Nähe entstünde durch das bloße Weglassen von Höflichkeit und Anrede, hat weder soziale noch sprachliche Intelligenz verstanden. Denn: Sprache schafft Raum, Respekt, Rahmen – und vor allem Wahlfreiheit.
Das automatisierte „Du“, das jedem übergestülpt wird wie eine peinliche Werbe-Cappy auf einer Messe, offenbart mehr über den Absender als über das Gegenüber. Es sagt:
„Ich will etwas von dir, aber ich will nicht investieren. Nicht zuhören. Nicht fragen. Ich will Nähe simulieren, damit du schneller kaufst.“
Authentizität sieht anders aus. Sie riecht nicht nach gehäuchelter Vertrautheit und künstlichem Lächeln.
Widerstand ist Pflicht – kein Traditionalismus.
Es ist kein Zeichen von Spießigkeit, das einzufordern. Es ist ein Zeichen von Integrität.
Denn wer in einer Zeit, in der alles weichgespült, personalisiert und pseudonah daherkommt, noch sagt:
„Du kennst mich nicht – also duz mich auch nicht“,
… der schützt nicht nur sich selbst, sondern verteidigt einen Rest von Würde und Anstand im zwischenmenschlichen Geschäftsverkehr.
Das vorausgesetzte und damit aufgezwungene „Du“ ist nicht ungezwungen. Es ist bequem – und zwar für die, die wenig können und noch weniger wissen, wie man echte Beziehungen aufbaut.
Für alle anderen bleibt: Charakter zeigen. Und mit gutem Stil kontern, wo andere denken, Schrankenlosigkeit sei ein Zeichen von Fortschritt.
PS: Wer ernsthaft der Meinung ist, das aufgezwungene „Du“ sei nicht respektlos, sollte sich einmal fragen, ob er den Richter bei seiner Scheidung, nach einem Verkehrsunfall oder in einem Sorgerechtsverfahren auch ungefragt duzen würde.
Matthias A. Walter, http://www.tec4net.com
EDV-Sachverständiger | Auditor für Datenschutz und IT-Sicherheit
Quellen und Links:
European Vulnerability Database (EUVD)
https://euvd.enisa.europa.eu
tec4net Infoseite zur ISO/IEC 27001
https://iso27001.tec4net.com
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